Ich muss gestehen, ich denke manchmal extrem – das Denken in Schwarz und Weiß vereinfacht das Leben. Manchmal zu viel, manchmal gerade richtig. Manchmal macht es Sachverhalte klarer, manchmal unsympathisch.
Manchmal macht es aber auch faul oder engstirnig.
Ich habe schon vor Jahren angefangen mich mit Vegetarismus zu beschäftigen. Erstmal war mir die moralische Seite egal und ich habe mich lustig gemacht – wie das ein Typ in seinen Zwanzigern eben macht, wenn er mit einem gewissen Ernährungs- und Männlichkeitsbild aufgewachsen ist. In meinem Fall kann ich klar sagen: Ich hatte einfach anderes zu tun als mich ernsthaft darum zu scheren, ob ich Tiere essen sollte oder nicht. Ob es etwas Besseres war, darüber kann man streiten. Es war aber damals auch kaum ein öffentliches Thema.
Als ich mich später begann, näher mit der Ethik der Fleischproduktion zu befassen, ging ich bald wieder auf Abstand und legte die schiere Beschäftigung damit irgendwann ad acta. Auf die Frage, warum ich nicht vegetarisch sein wolle, antwortete ich, dass ich dann ganz vegan werden müsse, wenn ich es zu ende denke – ein tolles Argument, um gar nichts zu machen.
Das ist bei vielen Leuten so, man setzt sich dermaßen hohe Ziele, dass man sie nicht erreichen kann.
„Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“, sagte Theodor W. Adorno. Das mag philosophisch oder soziologisch begründbar sein, ich halte es für eine Ausrede, um rein gar nichts zu verändern und stattdessen fabulierend am Küchentisch zu sitzen.
Deshalb habe ich mir mit ungefähr sechs Wochen veganer Challenge ein Ziel gesetzt, das ich erreichen kann, das sogar viel leichter zu erreichen ist, als ich es je erwartet hätte.
Das erzeugt Zufriedenheit und macht Lust auf mehr. Und mit dem mehr erreicht man genau das; mehr.
Ich werde nach Ostern kein Vollzeitveganer werden – zumindest nicht, wenn mich in den nächsten Wochen nicht der heilige Geist überkommt – aber ich werde es an mindestens 6 Tagen in der Woche sein. Das ist nicht 100% aber es ist so viel mehr als Null.
Engstirnigkeit ist eine andere Nebenerscheinung, wenn man 100% dabei sein will – auch, da es in Wahrheit nicht möglich ist, zumindest nicht in dieser Welt, siehe Adorno. Der Kampf gegen diese Unmöglichkeit laugt aus und würde auch mich aggressiv machen.
Wenn man sicher ist, dass etwas keine tierischen Produkte enthält, ist auch während dem Herstellungsprozess kein Tier verletzt worden? Was ist mit der Verpackung? Was ist mit der Ausstattung der Mitarbeiter? Und überhaupt, kann es nicht manchmal besser sein, übriggebliebene tierische Fette zu verwenden, anstatt diese wegzuwerfen und stattdessen Palmöl auf Borneo anzubauen?
Das sind alles echte, ethische Probleme, keine Frage, aber wenn man sich über all diese Dinge Gedanken macht, dann kann man überhaupt nichts mehr konsumieren und muss in den Wald ziehen – auf die Gefahr hin, dort einer Schnecke das Eigenheim zu zertrampeln. Wenn man seine Energie jeden Tag da hinein steckt, dann ist man verständlicherweise fassungslos über Menschen, die sich keine Gedanken machen – und natürlich auch über Leute wie mich, die das alles zwar abstrakt wissen, aber nicht erst nehmen können. Obwohl wir zu 80% übereinstimmen kommen wir nicht zueinander. Das ist sehr schade, denn wenn wir nur 10% gemeinsam gehen und andere Menschen anstecken, dann haben wir viel erreicht. Eben mehr.