Tag 36 – Einfach anders

Wie so oft im Leben gilt auch beim veganen Leben die Devise: der Weg entsteht, wenn man ihn geht. Und langsam ist der Weg recht gemütlich, liegt quasi in Trampelpfadmanier vor mir aus.

Als ich angefangen habe, musste ich auf jedes zweite Produkt draufschauen – und viele davon wieder an den Platz im Regal zurücklegen. Mittlerweile weiß ich schon vorher, worin sich eh Schweinegelantine oder Farbstoffe aus Läusen befinden. Sogar die Lust nach einigen dieser Dinge wird kleiner. Meine Lieblingsbrause, zum Beispiel, bleibt jetzt Standartmäßig im Supermarkt – was meinem Insulinspiegel und meinem Bauchumfanf auch nicht schaden sollte.

Dazu kommt, dass ich, wenn ich meinen Kühlschrank aufmache, nun wirklich nichts mehr ergreifen könnte, was nicht vegan wäre – auch der Freestyle Kochabend geht also problemlos über die Bühne, seit ich die Rinderbrühe und die Gewürzmischung mit verstecktem Milchzucker zu der echten Gelantine in meinen Giftschrank gepackt habe. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – was es so schwer macht etwas zu ändern, ist gleichzeitig ein großer Trumpf: Wenn man erst mal etwas geändert hat, dann fällt es irgendwann auch leicht, ja man vergisst beinahe, dass es einmal anders war. Zumindest, wenn man die Änderung annimmt, sie wirklich will.

Ich habe meine Lungen beispielsweise ab dem fünfzehnten Lebensjahr aktiv mit Zigarettenrauch verpestet, bis ich anfang Dreißig war. Nach diversen halbherzigen Versuchen, mal mehr, mal weniger freiwillig, bin ich immer wieder dem teerigen Trott der alltäglichen Versuchung erlegen.

Heute könnte ich mir gar nicht vorstellen, mir wieder solch ein stinkendes Ding in den Hals zu ziehen und viel Geld für einen langsamen, qualvollen Tod in die Staatskassen zu spülen. Ähnlich empfinde ich langsam das Motto meiner Jugend: „Zu jedem Hauptgericht gehört Fleisch.“

Anders werden ist schwer, aber anders sein wird irgendwann normal.

Tag 35 – Frühlingsfrösteln

Heute habe ich den ganzen Tag befürchtet, es hätte mich doch erwischt – die allgegenwärtigen Krankheitserreger hätten schlussendlich doch gesiegt.

Meine Beine sind noch von Samstag mit Muskelkater verflucht und mir war den ganzen Tag über kalt… Schlimmer noch; der Kaffee hat mir weder geschmeckt noch den wohlverdienten Energieschub verliehen.

Fast habe ich mich gefreut, mal einen Tag im Bett zu verbringen…

Doch dann: Pustekuchen.

Dachte ich heute morgen noch mit Grauen an den weiteren Tagesverlauf, der mit einem Vortragsmarathon enden wird, so wurde während einer frühlingshaften Radfahrt durch Köln Ehrenfeld, alles langsam besser und jetzt, da ich am Bahnhof auf meinen RE warte, fühle ich mich fast, als wäre ich neu geboren.

Komisch, wie sehr das Wetter das Wohlbefinden beeinflusst. So sehr wie ein paar scheue Sonnenstrahlen kann meine Ernährung meine Laune gar nicht verbessern – andersherum schon, eine Lebensmittelvergiftung ist bestimmt schlimmer als ein Regentag.

Also hoffe ich auf eine schöne Woche mit etwas weniger Schnee, weniger Frost und mehr Sonne. Und natürlich eine Woche voll gesundem, veganen Essen.

Doppelt hält bekanntlich besser.

Tag 34 – Mehr als Schwarz und Weiß

Ich muss gestehen, ich denke manchmal extrem – das Denken in Schwarz und Weiß vereinfacht das Leben. Manchmal zu viel, manchmal gerade richtig. Manchmal macht es Sachverhalte klarer, manchmal unsympathisch.
Manchmal macht es aber auch faul oder engstirnig.

Ich habe schon vor Jahren angefangen mich mit Vegetarismus zu beschäftigen. Erstmal war mir die moralische Seite egal und ich habe mich lustig gemacht – wie das ein Typ in seinen Zwanzigern eben macht, wenn er mit einem gewissen Ernährungs- und Männlichkeitsbild aufgewachsen ist. In meinem Fall kann ich klar sagen: Ich hatte einfach anderes zu tun als mich ernsthaft darum zu scheren, ob ich Tiere essen sollte oder nicht. Ob es etwas Besseres war, darüber kann man streiten. Es war aber damals auch kaum ein öffentliches Thema.

Als ich mich später begann, näher mit der Ethik der Fleischproduktion zu befassen, ging ich bald wieder auf Abstand und legte die schiere Beschäftigung damit irgendwann ad acta. Auf die Frage, warum ich nicht vegetarisch sein wolle, antwortete ich, dass ich dann ganz vegan werden müsse, wenn ich es zu ende denke – ein tolles Argument, um gar nichts zu machen.
Das ist bei vielen Leuten so, man setzt sich dermaßen hohe Ziele, dass man sie nicht erreichen kann.

„Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“, sagte Theodor W. Adorno. Das mag philosophisch oder soziologisch begründbar sein, ich halte es für eine Ausrede, um rein gar nichts zu verändern und stattdessen fabulierend am Küchentisch zu sitzen.

Deshalb habe ich mir mit ungefähr sechs Wochen veganer Challenge ein Ziel gesetzt, das ich erreichen kann, das sogar viel leichter zu erreichen ist, als ich es je erwartet hätte.
Das erzeugt Zufriedenheit und macht Lust auf mehr. Und mit dem mehr erreicht man genau das; mehr.
Ich werde nach Ostern kein Vollzeitveganer werden – zumindest nicht, wenn mich in den nächsten Wochen nicht der heilige Geist überkommt – aber ich werde es an mindestens 6 Tagen in der Woche sein. Das ist nicht 100% aber es ist so viel mehr als Null.

Engstirnigkeit ist eine andere Nebenerscheinung, wenn man 100% dabei sein will – auch, da es in Wahrheit nicht möglich ist, zumindest nicht in dieser Welt, siehe Adorno. Der Kampf gegen diese Unmöglichkeit laugt aus und würde auch mich aggressiv machen.

Wenn man sicher ist, dass etwas keine tierischen Produkte enthält, ist auch während dem Herstellungsprozess kein Tier verletzt worden? Was ist mit der Verpackung? Was ist mit der Ausstattung der Mitarbeiter? Und überhaupt, kann es nicht manchmal besser sein, übriggebliebene tierische Fette zu verwenden, anstatt diese wegzuwerfen und stattdessen Palmöl auf Borneo anzubauen?

Das sind alles echte, ethische Probleme, keine Frage, aber wenn man sich über all diese Dinge Gedanken macht, dann kann man überhaupt nichts mehr konsumieren und muss in den Wald ziehen – auf die Gefahr hin, dort einer Schnecke das Eigenheim zu zertrampeln. Wenn man seine Energie jeden Tag da hinein steckt, dann ist man verständlicherweise fassungslos über Menschen, die sich keine Gedanken machen – und natürlich auch über Leute wie mich, die das alles zwar abstrakt wissen, aber nicht erst nehmen können. Obwohl wir zu 80% übereinstimmen kommen wir nicht zueinander. Das ist sehr schade, denn wenn wir nur 10% gemeinsam gehen und andere Menschen anstecken, dann haben wir viel erreicht. Eben mehr.

Tag 33 – Reinheitsgebot 2.0

Gestern habe ich mit Freuden Bier getrunken – veganes Bier, versteht sich.

Das gehört zu den interessanten Fakten, die man lernt, wenn man sich mit dem Veganismus auseinandersetzt: im ominösen „Ausland“ wird manchmal Bier unter Zuhilfenahme tierischer Stoffe geklärt oder gefiltert. Dem Reinheitsgebot sei Dank, ist das in unserem Lande nicht drin.

Ähnliches gilt für Wein, wie der kundige Pflanzenfreund natürlich weiß – ich habe mich immer lustig gemacht über das Etikett „vegan“, das manchem Wein anhängt. Nun verstehe ich den Grund und gelobe Besserung. Warum Mineralwasser manchmal als vegan und glutenfrei gekennzeichnet ist, mag ähnliche Gründe haben, aber das ist ein anderes Thema.

Da ich diese vegane Challenge eher aus gesundheitlichen Gründen als aus Ethik mache, kann mir das eigentlich egal sein, denn es bleiben keinerlei Reste im Getränk erhalten.

Da ich das ganze natürlich möglichst Gewissenhaft betreibe, bliebe ich bewusst beim veganen Reissdorf Kölsch. Aber nur aus dem Fass! Denn beim Flaschenbier ist für den hundertprozentigen Veganer große Vorsicht geboten: der Etikettenkleber ist manchmal tierischen Ursprungs!

Und da wird es mir wirklich zu bunt.

Muss man da nicht auch danach fragen, ob der Bauer, der meinen Dinkel gesäht hat, Lederschuhe trägt?

Ob sein Traktor einen Ledersessel hat?
Ob er gar seiner Tätigkeit high auf Zwiebel-Mett nachgeht?

Ich finde das übertrieben und behalte im Auge, was in meinen Körper landet und ob etwas extra für mich getötet wird. In einer Welt, in der Menschen Tiere töten, mag es sogar sinnvoll sein, wenn übrig gebliebene Mambrane oder Enzyme genutzt weden, anstatt sie in den Müll zu kippen und unter Energieaufwand neu herzustellen. Oder sehe ich das falsch?

Ich bleibe einfach weiterhin den deutschen Biere treu und werde, so gelobe ich feierlich, das Etikett nicht abknibbeln.

Tag 32 – Was Spannendes, was zum Essen und vegan.

Was sich an meiner veganen Challengen wirklich gelohnt hat, ist das zwangsweise Ausweichen auf bis dato unbekannte Speisen.

Meine neuen Lieblinge.

  • Linsen. Linsencurry ist super, sei es mit roten Linsen oder mit Belugalinsen. Einfach Currypaste, Kokosmilch, Gemüse mit ein paar Gewürzen zusammenwerfen und fertig ist ein schnelles, leckeres Gericht – und hat gar nichts gemein mit der ekeligen Linsensuppe, mit der mich meine Großeltern gejagt haben.
  • Falafel. Sie haben jetzt einen noch prominenteren Platz in meinem Herzen gewonnen. Zu gesellschaftlichen Anlässen (wie Geburtstagen oder an Silvester) habe ich gerne welche gemacht – weil ich etwas Frikadelliges kochen wollte und Kichererbsen deutlich günstiger sind als jedes auch nur halbwegs vernünftige Hackfleisch. Jetzt aber gelten sie für mich als vollwertiget Ersatz für Burger, Buletten und Co.
  • Sojaschnetzel. Eine tolle Alternative zu Hackfleich, wenn es um Zubereitungen mit viel Gewürzen, so wie Spaghetti Bolognese, geht. Auch hier ist der Preis ein zusätzliches Argument, genau wie ewige Lagerbarkeit.
  • Hummus. Im Nu selbst gemacht und dann ungefähr hundert Mal leckerer als aus dem Supermarkt. Mit Koreander satt.
  • Gegrillte Aubergine. In einer Riffelpfanne, mit etwas Olivenöl und Pfeffer gegrillte Auberginenscheiben sind ein köstlicher Belag für Sandwiches, inklusive Röstaroma.
  • Selbst gemachtes Nutella. Mit Zimt oder Vanille oder doch lieber Rumaroma? Alles im Mixerumdrehen gemacht.

Diese Gerichte stehen jetzt auf meinem Speiseplan und werden auch nach der Challenge nicht-vegane Speisen verdrängen – und da ich noch gute zwei Wochen weitermache, kommt bestimmt noch was dazu. 😉

Tag 31 – ein ganzer Monat

Ich habe einen Monat Veganismus durch.

Das hätte ich nie von mir gedacht; wenn man mir vor einem halben Jahr erzählt hätte, dass ich einen Monat lang vegan lebe, dann hätte ich die betreffende Person ausgelacht – und wenn man mir dann noch gesagt hätte, das das klappt, ohne dass ich großartig etwas vermisse, dann hätte ich die Person für komplett Wahnsinnig gehalten.

Mind: Blown!

Zwischenbilanz – alles gut. Ich bin nicht krank geworden, obwohl eigentlich jeder, der sein Leben in meinem Umfeld fristet, Bazillen und Viren en masse durch die Gegend geschnieft oder gehustet hat. Ergo kann die andere Ernährung schonmal nicht negativ für mein Immunsystem gewesen sein.

Joggen und HIITs klappen so gut, dass ich keinen Unterschied zu carnivoren Ernährung sehe – allerdings auch nicht signifikant besser.

Plötzliche Fleischpanik hat mich nie überfallen, keine Entzugserscheinungen und keine Gefühle des Mangels – dafür Freude an neuen Gerichten.

Toll seid auch Ihr, die ihr Likes dalasst, Kommentare schreibt oder einfach nur still lest.
Wegen meiner Arbeit(en) und Ausbildung komme ich eigentlich nicht zum Schreiben – ein Manuskript liegt fertig herum, wartend auf den letzten Schliff und eigentlich will mein Glückskeksbuch beworben werden. Um nicht gänzlich im alltäglichen Werbetexten zu versinken, zwinge ich mich jeden Tag zu ein paar Zeilen.
Ich danke Euch dass es sich nicht so einsam anfühlt!

Gut und doof zugleich ist, dass man kaum auf die Schnelle etwas zum in-sich-Reinschaufeln findet. Der Zuckerjeeper bleibt unbeantwortet, aber meinem Bauchumfang kommt das zugute.

Negativ ist… Naja, man isst oft Linsen, Sojabohnen, Kichererbsen…

Mehr möchte ich nicht schreiben. 😉

Tag 30 – What the #&€*?

Gestern habe ich in einem Satz die „Dokumentation“ What the health erwähnt, die teilweise interessante Themen aufmacht. Es ist eine us-amerikanische Dokumentation – was vieles erklärt, was dort zu recht skandalisiert wird.

Das erste Thema ist eines, das nicht sonderlich überraschend ist: Gemeinnützige und staatliche Akteure lassen sich kaufen. Nachdem wirklich haarsträubende Rezeptvorschläge und tödlich zu nennende Diätpläne auf den Seiten der amerikanischen Krebs- und Herzinfarktstiftungen gezeigt werden, bei denen Bohnen im Speckmantel noch die gesündeste Wahl war, wird lange „recherchiert“ und dann die Sponsorenriege gezeigt.

Siehe da: Fleisch-, Milch und sonstige Fressindustrie stellt in maßlosem Altruismus Geld im Kampf gegen Zivilisationskrankheiten zur Verfügung.

Bei uns ist es umgekehrt; die Kunde, dass zumindest zuviel Fleisch schlecht ist, wird von jedem Baum gezwitschert, von Krankenkasse über Schulbücher bis ins Gesundheitsministerium. Da wirkt bei uns so ein billiger Versuch natürlich noch unglaublicher – zumal die Sponsoren auf den jeweiligen Websiten wenige Klicks von den Rezepten entfernt lauern.

Dass die meisten Offiziellen in den USA nicht drüber sprechen wollen, versteht sich von selbst. Ist ja auch peinlich und der Filmemacher ist offensichtlich ein Aktivist und kein renommierter Dokumentarfilmer.

Trotzdem ein Punkt für die Doku.

Nun kommt eine ganze Bastion an Ernährungsexperten, die anfangs noch so tun, als seien sie keiner Seite zugehörig, was dramaturgisch durchaus Sinn ergibt.

Bald zeigt sich aber, dass es nur eine Art von Ernährungsexperten zu geben scheint: Veganer. Ich bin immer etwas skeptisch, wenn die Gegenseite nicht gehört wird. Mit etwas Mühe hätte der Filmer bestimmt jemanden gefunden.

Gleichstand.

Nun kommen die Versuchskaninchen, die es menscheln lassen: dem Tode geweihte, fette Amis, wie aus dem Bilderbuch, die durch vegane Ernährung nach nur einem Monat auf ihre 23 verschiedenen Medikamente verzichten können, Berge an Speck verlieren und neue Lebensfreude gefunden haben.

Damit war die Doku klinisch tot für mich.

Wenn ich vorher jeden Tag ein halbes Schwein fresse und nachher einen halben Blumenkohl, dann liegt es nicht am veganen Essen, dass ich mich plötzlich bewegen kann – die Menge macht’s. Genauso wird sich meine Gesundheit, wenn ich von einem Steak mit Gemüsebeilage auf drei Kilo Zucker (vegan) umsteige, eher verschlechtern. Das hat er alles verschluckt – mit ist es im Halse stecken geblieben.

Von der psychologischen Seite war es eine tolle Story, ein kleiner Bösewicht (gekaufte Stiftungen), ein großer Bösewicht (die Lebensmittelindustrie) und arme dicke Leutchen, die durch die Wahrheit errettet würden, die die Wissenschaftler und der heroische Dokumentarfilmer verkünden. Durchsichtig wie eine Agar-Agar-Platte.

Warum mich dieser Film trotzdem auf die Idee zum veganen Fasten gebracht hat?

Ich wusste, dass ich nicht zu Superman werden würde, wenn ich ein paar Wochen auf tierische Produkte verzichte. Ich habe den Personen nicht geglaubt, war sogar ein wenig sauer wegen der Manipulationsversuche.

Dennoch sind die Leute in der Doku einfach dermaßen überzeugt davon, dass es mich angesteckt hat – und im Gegensatz zu den meisten Veganern waren diese Zeitgenossen nicht mit der Moralkeule unterwegs, sondern nur mit dem Gesundheitsargument.

Mal was anderes.

Darum habe ich auch anders reagiert als sonst.

Tag 29 – Zwanghaft

Ich bin wirklich heilfroh, dass ich mich zu dieser veganen Challenge gezwungen habe und weiterhin zwinge – und zwar aus vielen verschiedenen Gründen.

Erstmal finde ich es gut, dass es auf meinem eigenen Mist gewachsen ist. Mir kam die Idee bei der Doku „What the health“, welche ein ziemlich krasses Beispiel für Agitation und Propaganda ist. Wahrscheinlich schreibe ich später nochmal etwas darüber.

Jedenfalls ist es orginär meine Idee und meine Sache. Dass viele andere Leute das unabhängig von mir auch machen, finde ich toll und unerwartet, doch birgt so etwas immer Risiken; das Versagen anderer Mitstreiter kann ein Grund sein, selber auszugeben oder man hat von vornherein keine Lust und folgt nur einem Gruppenzwang.

Ich hingegen zwinge mich selbst; ich bin frei und wenn ich versage, dann bin ich zu 100% selber schuld.

Wenn die Fastenzeit um ist, werde ich nicht vegan bleiben, es sei denn, in mir erwachen in den nächsten zwei Wochen noch Superkräfte – aber auch ohne Röntgenblick hat mich diese Challenge viel gelehrt.

  • Man schafft es zeitlich. Es gibt wohl wenige Leute, die so wenig Freizeit haben wie ich, bei etwa 52 Stunden Arbeitszeit in der Woche plus 9 Stunden Texterschule plus Pendelei zwischen Köln und Düsseldorf.
  • Man schafft es finanziell. Lehrjahre sind keine Herrenjahre – mein Lohn fällt eher karg aus. Trotzdem schaffe ich es, mich mit veganen Speisen zu ernähren ohne den Bionadebourgeoisen Supermarkt (wo die großen Preise wohnen) aufzusuchen. So bekomme ich die teure vegane Tiefkühlpizza natürlich nicht. Davon sterbe ich nicht.
  • Man schafft es. Ich bin wirklich ein Mensch, der gerne Fleisch isst. Das perfekte Essen ist in meinen Augen ein rosafarbener Burger mit karamellisierten Zwiebeln und hausgemachten Saucen oder ein Gyrosteller, der so nach Knoblauch, Fett und Zwiebeln stinkt wie man selber nachher. Trotzdem habe ich kein Gefühl von Verlust, wenn ich an Carnivoren vorbeigehe, die Ihrer Lust fröhnen. Dass ich nach Ostern meinen Fleischkonsum deutlich reduzieren werde, steht außer Frage.
  • Man findet leckere Sachen. Es ist kein Verzicht, wenn man nicht verzichtet. Ich habe so viele leckere Gerichte kennengelernt, dass ich einfach aus Appetit darauf das ein oder andere Fleischgericht auslassen werde.

Hat sich schon jetzt gelohnt.

Versucht es doch auch einmal. 😉

Tag 28 – Sanfte Gefühle

Ich hatte fälschlicherweise gedacht, dass Veganer vielleicht etwas ausgeglichenere Leute sind, dass der Verzicht auf all das Blut und die Hormone und Wachstumsbeschleuniger etwas mehr an Ruhe in mir erzeugt, eine Buddhistische Ruhe, Zen.

Aber Pustekuchen. Ich empfinde intensive Abneigung, ja Hass, auf meinen alten Rechner, der leider momentan der einzige Rechner ist, der mir zur Verfügung steht. Diverse Prozesse unbekannter Herkunft lassen die CPU in die Knie gehen und mein teures Kaspersky scheint keinerlei Meinung dazu zu haben…

Deshalb fällt mein Post heute sehr kurz aus, denn ich beschäftige mich gerade mit drei Dingen gleichzeitig.

  1. Der Versuch, Chrome zu installieren, in der vagen Hoffnung, dass der Browser ein bisschen weniger beschissen läuft, als es Firefox und der Internetexplorer tun.
  2. Dabei die Kraft aufzubringen, diese alte Mistmühle nicht in tausenden Stücke zu hauen.
  3. Meine Steuererklärung zu machen.

Alles in allem mehr als genug zu tun für einen Dienstagabend.

Cheers!

Tag 27 – Quinoa für alle!

Gestern war ich bei meinem Zweitjob in dem Bio-Restaurant, das einem beliebten Kölner Arthousekino angegliedert ist. Die Gäste sind hier überwiegend weiblich und überwiegend ab Fünfzig aufwärts – ein im Grunde genommen angenehmes Publikum, weshalb ich dort gerne hingehe, um mit mehr oder minder geruhsamer Sonntagsarbeit meine restliche Woche zu finanzieren.
Nachmittags saßen also zwei Frauen jenseits der Fünfzig an meinem Tisch, eine davon fragte nach einem veganen Gericht – ich musste auf Bruschetta oder einen gemischten Salat verweisen, denn mehr haben wir nicht im Angebot. Ich erzählte, dass ich auch vegan wäre und Ihren kleinen Unmut wegen der noch kleineren Auswahl an veganen Speisen nachvollziehen könne – da platzte es aus der anderen Frau hinaus; ihr gingen diese ganzen Veganer soooo auf die Nerven, es sei doch ein Unding, dass wir den Südamerikanern das goldene Quinoa-Korn, die superpotenten Chia-Samen und was sonst noch gerade so in Mode wäre, wegäßen.

Die Veganerin und ich waren kurz überrumpelt, fasten wir beide doch nur bis Ostern, und ich redete kurz mit ihr. Natürlich im Rahmen meiner recht begrenzten Zeit und meiner noch begrenzteren Lust, Dissens mit meinen Kundinnen anzufachen, da das äußerst schlecht für Stimmung und Trinkgeld ist.

Sie hat ja gar nicht so unrecht, aber das ist meiner Meinung nach ein weiteres systemisches Problem; versuche das aber mal jemand in einer Minute in einem sich gerade füllenden Restaurant zu erläutern.

Natürlich essen wir den Südamerikanern das Quinoa weg – aber das Quinoaessen ist ein Trend, der nicht nur die vegane Welt überschwemmt. Ich habe Quinoa das erste Mal als Beilage zu einem Steak gegessen. Weder Steak noch Quinoa hatten sich beschwert.
Die Lust auf exotische Zutaten kommt mit dem Interesse für exotische Ernährungsweisen und trifft damit überproportional auf Veganer zu, die per Definition eine andere (exotische) Ernährungsweise leben.
Wer bei seinen alten, deutschen Essgewohnheiten bleibt, der bleibt eben bei Bohnen mit Speck und bei Sülze mit Bratkartoffeln – kommt daher nie mit Quinoa in Berührung. Insofern stimmt ein Teil ihrer Prämisse: der Old School Fleischfresser wird niemals am Quinoa herumnaschen.
Es kann aber nicht die Lösung sein, dass wir alle wieder essen wie in den sechziger Jahren. Darum würde ich argumentieren, da das Interesse an exotischen Körnern und Veganismus aus dem gleichen Schoße wachsen, zwingend auch gewissen Schnittmengen auftreten müssen, der Veganismus aber nicht Ursache davon ist. Wenn man überhaupt so etwas wie einen Schuldigen ausmachen möchte, dann die Globalisierung – die wird ja hierzulande ohnehin für alles Schlechte zum Sündenbock gemacht, da ist man sich von Rechts bis Links seltsam einig.

Ich finde die Globalisierung per se toll, aber es wird natürlich an manchen Stellen echt zu viel Zeug über die Weltmeere verschifft. Zum Beispiel Soja für Kühe. In Südamerika (und auch bei uns) wäre deutlich mehr Platz für Quinoaplantagen vorhanden, wenn wir nicht auf der nutzbaren Fläche so viel anderes Zeug anbauen müssten, um es dann in furzende Kühe zu stecken, nur um Steak und Milch herzustellen.

Aber das ist ein wenig viel Stoff für einen Nachmittagsplausch an Tisch Nummer 18.