Gestern war ich bei meinem Zweitjob in dem Bio-Restaurant, das einem beliebten Kölner Arthousekino angegliedert ist. Die Gäste sind hier überwiegend weiblich und überwiegend ab Fünfzig aufwärts – ein im Grunde genommen angenehmes Publikum, weshalb ich dort gerne hingehe, um mit mehr oder minder geruhsamer Sonntagsarbeit meine restliche Woche zu finanzieren.
Nachmittags saßen also zwei Frauen jenseits der Fünfzig an meinem Tisch, eine davon fragte nach einem veganen Gericht – ich musste auf Bruschetta oder einen gemischten Salat verweisen, denn mehr haben wir nicht im Angebot. Ich erzählte, dass ich auch vegan wäre und Ihren kleinen Unmut wegen der noch kleineren Auswahl an veganen Speisen nachvollziehen könne – da platzte es aus der anderen Frau hinaus; ihr gingen diese ganzen Veganer soooo auf die Nerven, es sei doch ein Unding, dass wir den Südamerikanern das goldene Quinoa-Korn, die superpotenten Chia-Samen und was sonst noch gerade so in Mode wäre, wegäßen.
Die Veganerin und ich waren kurz überrumpelt, fasten wir beide doch nur bis Ostern, und ich redete kurz mit ihr. Natürlich im Rahmen meiner recht begrenzten Zeit und meiner noch begrenzteren Lust, Dissens mit meinen Kundinnen anzufachen, da das äußerst schlecht für Stimmung und Trinkgeld ist.
Sie hat ja gar nicht so unrecht, aber das ist meiner Meinung nach ein weiteres systemisches Problem; versuche das aber mal jemand in einer Minute in einem sich gerade füllenden Restaurant zu erläutern.
Natürlich essen wir den Südamerikanern das Quinoa weg – aber das Quinoaessen ist ein Trend, der nicht nur die vegane Welt überschwemmt. Ich habe Quinoa das erste Mal als Beilage zu einem Steak gegessen. Weder Steak noch Quinoa hatten sich beschwert.
Die Lust auf exotische Zutaten kommt mit dem Interesse für exotische Ernährungsweisen und trifft damit überproportional auf Veganer zu, die per Definition eine andere (exotische) Ernährungsweise leben.
Wer bei seinen alten, deutschen Essgewohnheiten bleibt, der bleibt eben bei Bohnen mit Speck und bei Sülze mit Bratkartoffeln – kommt daher nie mit Quinoa in Berührung. Insofern stimmt ein Teil ihrer Prämisse: der Old School Fleischfresser wird niemals am Quinoa herumnaschen.
Es kann aber nicht die Lösung sein, dass wir alle wieder essen wie in den sechziger Jahren. Darum würde ich argumentieren, da das Interesse an exotischen Körnern und Veganismus aus dem gleichen Schoße wachsen, zwingend auch gewissen Schnittmengen auftreten müssen, der Veganismus aber nicht Ursache davon ist. Wenn man überhaupt so etwas wie einen Schuldigen ausmachen möchte, dann die Globalisierung – die wird ja hierzulande ohnehin für alles Schlechte zum Sündenbock gemacht, da ist man sich von Rechts bis Links seltsam einig.
Ich finde die Globalisierung per se toll, aber es wird natürlich an manchen Stellen echt zu viel Zeug über die Weltmeere verschifft. Zum Beispiel Soja für Kühe. In Südamerika (und auch bei uns) wäre deutlich mehr Platz für Quinoaplantagen vorhanden, wenn wir nicht auf der nutzbaren Fläche so viel anderes Zeug anbauen müssten, um es dann in furzende Kühe zu stecken, nur um Steak und Milch herzustellen.
Aber das ist ein wenig viel Stoff für einen Nachmittagsplausch an Tisch Nummer 18.
Hallo Christoph,
ich habe dich gerade auf Twitter entdeckt und war neugierig. 😉 Ich glaube, mit deinem Artikel, triffst du den Nerv der Zeit. Das ist auch ein Thema, über das ich mir viele Gedanken mache. Von der Bohlsener Mühle gibt es Quinoa auch aus Deutschland. Und ganz ehrlich: Ich finde, es ist schwer, immer alles richtig zu machen und ich frage mich: Muss man das? Ich finde, es muss nicht alles perfekt sein, so gut man kann, reicht doch auch…
Liebe Grüße,
Susanne
Ich finde es nicht nur schwierig, sich immer richtig zu verhalten, ich halte es nicht einmal für sonderlich gesund – da wird man doch kirre.
Aber ein bisschen besser geht es schon, denke ich. Nicht jeden Tag, aber in der Tendenz schon.
Ganz schwierig wird es, wenn vorgefertigte Meinungen (in dem Blog-Beispiel: Globalisierung ist böse) auf Probleme stoßen, dann wird das vorhandene Weltbild auf das neue Problem angewendet. Oder anders gesagt: Wenn man einen Hammer hat, sieht jedes Problem aus wie ein Nagel.
Gleichzeitig hat man keine Zeit, sich in jedes Problem neu reinzufuchsen.
Ein ziemliches Spannungsfeld, aber eben auch spannend. 😉