Mich fasziniert diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ziemlich, ich komme nicht umhin darüber dauernd nachzudenken – nicht nur wegen meines Veganismus‘, sondern auch wegen sonstiger Meinungen, die mich durch mein Leben geleiten.
Es ist doch so, dass jeder ein Ziel braucht, es ist wie der Nordstern, der Horizont, der Kompass, nachdem man sein Leben ausrichtet. Glück, Zufriedenheit, Freiheit, Tierwohl oder Weltfrieden; je mach Zeitalter gab es andere Werte, die hoch im Kurs standen. Ich denke sogar, dass auf lange Sicht eine Gesellschaft nur in sich tragfähig ist, wenn die Ziele der Bürger ähnlich sind. Ich frage mich gar, ob es orginär Ziele sind, die eine Gesellschaft konstituieren.
Natürlich waren diese Ziele nicht immer gute Ziele, die Reinheit der Rasse im NS war auch ein Ziel oder die Gleichheit in der DDR, die doch nur eine Gleichheit in Armut war.
Jedenfalls braucht jeder Mensch Ziele, und es sollten besser wohlüberlegte Ziele sein, nach denen man sich richtet, um schon vor Reisebeginn zu wissen, wo man ankommen möchte. Andere Menschen haben nur Tages- oder ein Etappenziele. Doch auch das zeigt in eine Richtung – und wenn das nächste Etappenziel die selbe Richtung ausweist, dann ist man auf einem konsistenten Weg.
Heutzutage finde ich es sehr schwer, auf in sich konsistenten Wegen zu gehen, zumindest, wenn man ganz ehrlich mit sich ist und die Sachen eine Biegung weiter denkt.
Wenn ich gerne Bio-Gemüse essen möchte und schwer gegen DDT in Entwicklungsländern bin, dann ist das moralisch gut – zumindest so lange, bis wieder die Moskitos mit Malaria kommen, die durch DDT an der Häuserwand lange abgehalten wurden.
Wenn ich keine Klamotten mehr aus Bangladesh mehr kaufe, dann profitiere ich icht aus deren Niedriglöhnen – dann schließen die Fabriken und die Leute haben gar nichts mehr zu.
Wenn ich gegen Tierversuche bei Medikamenten bin, dann kann es sein, dass Menschenkinder an vermeidbaren Krankheiten verrecken.
Wenn ich es ablehne, dass tierische Abfallprodukte in der Industrie verwendet werden, dann müssen die (heute nunmal vorhandenen) Rohstoffe vernichtete werden und neue, vegane Rohstoffe unter Energie- und Flächenaufwand hergestellt werden.
Ich finde das alles sehr spannend – ob der Weg in die richtige Richtung, das Etappenziel, ehrlicher ist als die unerreichbare Extrempostition oder ob man auf diese Weise niemals ankommt.
Was sagt ihr?