Ich packe meinen Koffer und packe ein…Wow, es ist noch alles fertig geworden. Ich habe gestern mein Manuskript mit dem Arbeitstitel „Die neonfarbene Zeitreiseuhr“ fertig überarbeitet bekomme und dann eine ewig lange Drucksession und eine noch längere Lochersession eingelegt… Es hat sich gelohnt, denke ich.
Jetzt kann ich nur hoffe, dass die drei Verleger, die ich am Sonntag treffen darf, den spannenden Batzen Papier auch zu schätzen wissen.
Auf jeden Fall freue ich mich auf die Lesung aus meinem Roman „Der ganz und gar seltsame Glückskeks, das Taxi und die Nazi-Oma“. Die Lesung beginnt am Sonntag um 11.20 auf der Read-and-Greet-Bühne.
Leipzig alaaf! Ick freu mir!
8 Cent Mindestlohn oder Die Flaschensammler
Gestern hat mir meine Freundin eine Tüte Pfandflaschen in die Hand gedrückt, ich solle die doch auf dem Weg zum Taxistand wegbringen.
Das habe ich auch getan, kurz nach Ladenöffnung. Ich hatte ein paar Bierflaschen, einige Mineralwasserflaschen, vier PET-Flaschen, insgesamt genug, um eine blaue Tüte eines allseits bekannten Möbelunternehmens zu füllen.
Vor mir, an dem zickigen Pfandautomaten, war ein muffig riechender Mann mit einem ähnlichen Sack, voll mit klimperndem Glas, der gerade einmal 2,16€ für seine Bierflaschen gutgeschrieben bekam. Für mich waren es genau 2.23€, die als Anzahlung für einen besseren Espresso draufgingen. „8 Cent Mindestlohn oder Die Flaschensammler“ weiterlesen
Nahverkehr und Wert
Heute hatte ich einen Fahrgast, gut sitzender Anzug, dezent gemusterte Krawatte, Designermuskeln. Kurzum: Typ Unternehmensberater.
»Ahhh«, säuselte er, als er sich auf der Rückbank meines Taxis niederließ und den Hinterkopf beinahe auf der Hutablage ablegte. »Endlich Ruhe.«
»Wo waren sie denn vorher?«, fragte ich.
»In der U-Bahn. Mein Gott. Ich weiß schon, warum ich mir meistens ein Taxi gönne. Gerlingviertel, bitte.« „Nahverkehr und Wert“ weiterlesen
#indielesefestival
Bildung oder Aufklärung?
Ich hatte gestern einen Fahrgast, Mitte 50, grauer Zopf-Pullover, graumeliertes Haar, graues Wesen. Er sei Politik- und Sozialwissenschaftslehrer und schimpfte für die Dauer einer kurze Fahrt durch die Kölner Innenstadt, die ihn zu einer antiquarischen Buchhandlung seltener Bücher führe, über die Dummheit der Menschen im Allgemeinen und seiner Schüler im Besonderen. »Sie als Philosoph wissen das auch, Aufklärung!«, sagte er beim Aussteigen mit erhobenem Zeigefinger.
Mir ist die letzten Tage aufgefallen, dass, speziell seit Trump, vermehrt über Bildung als Aufklärung geredet wird. Recht so, dachte ich, die Aufklärung darf nie aufhören.
Es scheint allerdings, auch bei diesem grauen Mann, nicht die Aufklärung gemeint zu sein. Offenbar sind es zwei unterschiedliche Bildungen, die in der Debatte miteinander Rumba tanzen, aber keiner der Tanzpartner ist näher mit Kant bekannt.
Taxi Gedanken oder Straßenphilosophie
Ich darf mich vorstellen: Mein Name ist Walter Jentzsch, ich bin Taxifahrer und Magister-Philosoph.
Das klingt wie ein blödes Klischee und ist es auch, zumindest in meinem Fall.
Ich hatte einen guten Job, aber das selbstständige Taxifahren gibt mir die Zeit, an einem bahnbrechenden Werk der politischen Philosophie zu arbeiten.
Beim Fahren stellen sich mir aber auch andere interessante Fragen, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte, immer freitags nachmittags, da fährt mein Angestellter Abu mein Taxi und meine Freundin Jenny ist beim Yoga. Sofern sie keine depressive Phase hat.
Mein Freund Christoph läd meine Gedanken freundlicherweise auf seinem Blog hoch, da ich mich mit sowas nicht auskenne und das auch gerne so bleiben kann.
Danke, erstmal, und viel Spaß!
Kleine Geschichten 6
11:11
Hermes lag auf der gepolsterten Bank und streckte sich. Seine Flügelknochen knackten leise, er war ein wenig verspannt, es war mal wieder höchste Zeit für eine Massage. Hilfesuchend sah er sich um, aber keine Muse war gerade in seiner Nähe.
Hermes war lange nicht geflogen, natürlich war er verspannt. Gerannt war er auch lange nicht, gegangen schon, aber auch nicht besonders weit. Nur bis zum Weinbrunnen und zurück.
Euterpe spielte, offensichtlich tief in Gedanken, auf dem Saxophon, sie improvisierte seit neuestem. Das tat sie, seit sie diesen Jazz-Typen auf der Erde kennengelernt hatte. Der wohnte mittlerweile auch im Himmel und trug noch immer Sonnenbrillen zu jeder Uhrzeit.
Nun ja, im Himmel gab es keine Uhrzeit, es war immer elf Uhr elf.
„Hat jemand Nektar für mich? Oder Ambrosia?“, fragte er und drehte den Kopf um. Noch immer keine Muse weit und breit. Sonst waren die Musen umsichtiger. „Hallo?“, rief er, aber keine Antwort.
Stattdessen landete eine Eule neben ihm, in der linken Klaue einen Brief. Wer, zum Teufel, schickte Briefe mit einer Eule? Das kam ihm total bescheuert und darüberhinaus unglaubwürdig vor. Die Eule starrte ihn an, kam näher gehopst.
Er seufzte und setzte sich auf.
„Was haben wir denn da?“
Kleine Geschichten 5
9:30
Der Taxifahrer, der Philosoph, er schlief. Durch den grünlichen, an manchen Stellen seidendünnen Vorhang kam Sonnenlicht hinein, wurde vom Stoff trübe gefärbt und fiel in das mehr schlecht als recht aufgeräumte Wohnzimmer. Er schnarchte ganz leise, neben ihm, auf einem ledernen Sofa, das leicht speckig aussah, lag seine Freundin. Auch sie schnarchte leise. Eine kleine Blase wuchs und verschwand in ihrem Mundwinkel im Takt des Atems.
Er hatte eine Dose Doctor Pepper in der einen, das zerknüllte Briefchen aus einem Glückskeks in der anderen Hand.
Er schlief ruhig, er schläft schon viel zu lange. Seit Jahren.
Bald, endlich, wird es Zeit aufzustehen.
Steh auf!
Nokia-Tune.
Kleine Geschichten 4
9:00
Er saß hinter der verspiegelten Glasscheibe und sah auf seinen Röhrenmonitor. Der selbe Mist, seit Jahren und Jahren, nur die Form änderte sich. Jetzt war es Windows 98, auch das war schon lange überholt. So wie er. Kolonnen von Zahlen, Buchstabenkürzeln und Charts in Primärfarben wunden sich dort, verlangten nach seiner Aufmerksamkeit, aber die Gedanken schweiften immer wieder ab, verweigerten sich. Bald, wenn alles gutging, würde er sich nicht mehr damit herumschlagen müssen, bald. Endlich.
Er sah durch die Scheibe. Noch passierte nichts, triste, grau-melierte Alltäglichkeit.
Aber es war alles geplant, die Spieler an ihren Plätzen. Es konnte nichts schief gehen.
Er schaltete den Monitor aus und lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. Der Stuhl knackte leise.
Kleine Geschichten 3
8:30
Karl Herrmann saß an seinem Küchentisch und fuhr mit dem dicken Zeigefinger die Ringe nach, die zahllose Kaffeetassen auf dem rohen Echtholz (Eiche, glaubte er) hinterlassen hatten. Er hatte einen kleinen Kater, ein paar Bier waren es gestern schon gewesen, vielleicht eines zuviel. Oder auch nicht, all die Sorgen hätten ihn sonst die ganze Nacht über wach gehalten. Nun waren sie wieder da, schlimmer als jeher. Die Zeit lief ab.
Er seufzte und trank von seinem bitteren Kaffee.
Es gab einen Ausweg aus dem Schlamassel, einen beschissenen Ausweg, aber immerhin ein Ausweg. Er hatte eigentlich keine Wahl, und doch fiel sie ihm schwer.
Karl griff zu seinem Handy und tippte sich durch viel zu kleine Icons, bis er endlich telefonieren konnte.
„Mutti? Könntest Du sie heute nehmen? Ich bin den ganzen Tag unterwegs…“