Tag 38 – Zeit

Es ist Freitag und Freitag habe ich keine Zeit – nach einem Tag im Büro verbringe ich meinen Abend beim Kellnern.

Ich muss sagen, dass mir selbst das schonmal schwerer gefallen ist. Ob das an der veganen Ernährung liegt oder daran, dass das eine Routine ist, der ich seit nunmehr einem halben Jahr folge – who knows.

Man gewöhnt sich ja an einiges.

Was ich jedenfalls sehr genau weiß ist, dass ein Belugalinsencurry trotz seines düster-unappetitlichen Aussehens ein tolles Futter ist, das mich wachhält… Und mich meinem langersehnten Feierabendkölsch ein Stück näher bringt.

Alaaf!

Tag 37 – Ziele

Mich fasziniert diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ziemlich, ich komme nicht umhin darüber dauernd nachzudenken – nicht nur wegen meines Veganismus‘, sondern auch wegen sonstiger Meinungen, die mich durch mein Leben geleiten.

Es ist doch so, dass jeder ein Ziel braucht, es ist wie der Nordstern, der Horizont, der Kompass, nachdem man sein Leben ausrichtet. Glück, Zufriedenheit, Freiheit, Tierwohl oder Weltfrieden; je mach Zeitalter gab es andere Werte, die hoch im Kurs standen. Ich denke sogar, dass auf lange Sicht eine Gesellschaft nur in sich tragfähig ist, wenn die Ziele der Bürger ähnlich sind. Ich frage mich gar, ob es orginär Ziele sind, die eine Gesellschaft konstituieren.

Natürlich waren diese Ziele nicht immer gute Ziele, die Reinheit der Rasse im NS war auch ein Ziel oder die Gleichheit in der DDR, die doch nur eine Gleichheit in Armut war.

Jedenfalls braucht jeder Mensch Ziele, und es sollten besser wohlüberlegte Ziele sein, nach denen man sich richtet, um schon vor Reisebeginn zu wissen, wo man ankommen möchte. Andere Menschen haben nur Tages- oder ein Etappenziele. Doch auch das zeigt in eine Richtung – und wenn das nächste Etappenziel die selbe Richtung ausweist, dann ist man auf einem konsistenten Weg.

Heutzutage finde ich es sehr schwer, auf in sich konsistenten Wegen zu gehen, zumindest, wenn man ganz ehrlich mit sich ist und die Sachen eine Biegung weiter denkt.

Wenn ich gerne Bio-Gemüse essen möchte und schwer gegen DDT in Entwicklungsländern bin, dann ist das moralisch gut – zumindest so lange, bis wieder die Moskitos mit Malaria kommen, die durch DDT an der Häuserwand lange abgehalten wurden.
Wenn ich keine Klamotten mehr aus Bangladesh mehr kaufe, dann profitiere ich icht aus deren Niedriglöhnen – dann schließen die Fabriken und die Leute haben gar nichts mehr zu.
Wenn ich gegen Tierversuche bei Medikamenten bin, dann kann es sein, dass Menschenkinder an vermeidbaren Krankheiten verrecken.
Wenn ich es ablehne, dass tierische Abfallprodukte in der Industrie verwendet werden, dann müssen die (heute nunmal vorhandenen) Rohstoffe vernichtete werden und neue, vegane Rohstoffe unter Energie- und Flächenaufwand hergestellt werden.

Ich finde das alles sehr spannend – ob der Weg in die richtige Richtung, das Etappenziel, ehrlicher ist als die unerreichbare Extrempostition oder ob man auf diese Weise niemals ankommt.

Was sagt ihr?

Tag 36 – Einfach anders

Wie so oft im Leben gilt auch beim veganen Leben die Devise: der Weg entsteht, wenn man ihn geht. Und langsam ist der Weg recht gemütlich, liegt quasi in Trampelpfadmanier vor mir aus.

Als ich angefangen habe, musste ich auf jedes zweite Produkt draufschauen – und viele davon wieder an den Platz im Regal zurücklegen. Mittlerweile weiß ich schon vorher, worin sich eh Schweinegelantine oder Farbstoffe aus Läusen befinden. Sogar die Lust nach einigen dieser Dinge wird kleiner. Meine Lieblingsbrause, zum Beispiel, bleibt jetzt Standartmäßig im Supermarkt – was meinem Insulinspiegel und meinem Bauchumfanf auch nicht schaden sollte.

Dazu kommt, dass ich, wenn ich meinen Kühlschrank aufmache, nun wirklich nichts mehr ergreifen könnte, was nicht vegan wäre – auch der Freestyle Kochabend geht also problemlos über die Bühne, seit ich die Rinderbrühe und die Gewürzmischung mit verstecktem Milchzucker zu der echten Gelantine in meinen Giftschrank gepackt habe. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – was es so schwer macht etwas zu ändern, ist gleichzeitig ein großer Trumpf: Wenn man erst mal etwas geändert hat, dann fällt es irgendwann auch leicht, ja man vergisst beinahe, dass es einmal anders war. Zumindest, wenn man die Änderung annimmt, sie wirklich will.

Ich habe meine Lungen beispielsweise ab dem fünfzehnten Lebensjahr aktiv mit Zigarettenrauch verpestet, bis ich anfang Dreißig war. Nach diversen halbherzigen Versuchen, mal mehr, mal weniger freiwillig, bin ich immer wieder dem teerigen Trott der alltäglichen Versuchung erlegen.

Heute könnte ich mir gar nicht vorstellen, mir wieder solch ein stinkendes Ding in den Hals zu ziehen und viel Geld für einen langsamen, qualvollen Tod in die Staatskassen zu spülen. Ähnlich empfinde ich langsam das Motto meiner Jugend: „Zu jedem Hauptgericht gehört Fleisch.“

Anders werden ist schwer, aber anders sein wird irgendwann normal.

Tag 35 – Frühlingsfrösteln

Heute habe ich den ganzen Tag befürchtet, es hätte mich doch erwischt – die allgegenwärtigen Krankheitserreger hätten schlussendlich doch gesiegt.

Meine Beine sind noch von Samstag mit Muskelkater verflucht und mir war den ganzen Tag über kalt… Schlimmer noch; der Kaffee hat mir weder geschmeckt noch den wohlverdienten Energieschub verliehen.

Fast habe ich mich gefreut, mal einen Tag im Bett zu verbringen…

Doch dann: Pustekuchen.

Dachte ich heute morgen noch mit Grauen an den weiteren Tagesverlauf, der mit einem Vortragsmarathon enden wird, so wurde während einer frühlingshaften Radfahrt durch Köln Ehrenfeld, alles langsam besser und jetzt, da ich am Bahnhof auf meinen RE warte, fühle ich mich fast, als wäre ich neu geboren.

Komisch, wie sehr das Wetter das Wohlbefinden beeinflusst. So sehr wie ein paar scheue Sonnenstrahlen kann meine Ernährung meine Laune gar nicht verbessern – andersherum schon, eine Lebensmittelvergiftung ist bestimmt schlimmer als ein Regentag.

Also hoffe ich auf eine schöne Woche mit etwas weniger Schnee, weniger Frost und mehr Sonne. Und natürlich eine Woche voll gesundem, veganen Essen.

Doppelt hält bekanntlich besser.

Tag 34 – Mehr als Schwarz und Weiß

Ich muss gestehen, ich denke manchmal extrem – das Denken in Schwarz und Weiß vereinfacht das Leben. Manchmal zu viel, manchmal gerade richtig. Manchmal macht es Sachverhalte klarer, manchmal unsympathisch.
Manchmal macht es aber auch faul oder engstirnig.

Ich habe schon vor Jahren angefangen mich mit Vegetarismus zu beschäftigen. Erstmal war mir die moralische Seite egal und ich habe mich lustig gemacht – wie das ein Typ in seinen Zwanzigern eben macht, wenn er mit einem gewissen Ernährungs- und Männlichkeitsbild aufgewachsen ist. In meinem Fall kann ich klar sagen: Ich hatte einfach anderes zu tun als mich ernsthaft darum zu scheren, ob ich Tiere essen sollte oder nicht. Ob es etwas Besseres war, darüber kann man streiten. Es war aber damals auch kaum ein öffentliches Thema.

Als ich mich später begann, näher mit der Ethik der Fleischproduktion zu befassen, ging ich bald wieder auf Abstand und legte die schiere Beschäftigung damit irgendwann ad acta. Auf die Frage, warum ich nicht vegetarisch sein wolle, antwortete ich, dass ich dann ganz vegan werden müsse, wenn ich es zu ende denke – ein tolles Argument, um gar nichts zu machen.
Das ist bei vielen Leuten so, man setzt sich dermaßen hohe Ziele, dass man sie nicht erreichen kann.

„Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“, sagte Theodor W. Adorno. Das mag philosophisch oder soziologisch begründbar sein, ich halte es für eine Ausrede, um rein gar nichts zu verändern und stattdessen fabulierend am Küchentisch zu sitzen.

Deshalb habe ich mir mit ungefähr sechs Wochen veganer Challenge ein Ziel gesetzt, das ich erreichen kann, das sogar viel leichter zu erreichen ist, als ich es je erwartet hätte.
Das erzeugt Zufriedenheit und macht Lust auf mehr. Und mit dem mehr erreicht man genau das; mehr.
Ich werde nach Ostern kein Vollzeitveganer werden – zumindest nicht, wenn mich in den nächsten Wochen nicht der heilige Geist überkommt – aber ich werde es an mindestens 6 Tagen in der Woche sein. Das ist nicht 100% aber es ist so viel mehr als Null.

Engstirnigkeit ist eine andere Nebenerscheinung, wenn man 100% dabei sein will – auch, da es in Wahrheit nicht möglich ist, zumindest nicht in dieser Welt, siehe Adorno. Der Kampf gegen diese Unmöglichkeit laugt aus und würde auch mich aggressiv machen.

Wenn man sicher ist, dass etwas keine tierischen Produkte enthält, ist auch während dem Herstellungsprozess kein Tier verletzt worden? Was ist mit der Verpackung? Was ist mit der Ausstattung der Mitarbeiter? Und überhaupt, kann es nicht manchmal besser sein, übriggebliebene tierische Fette zu verwenden, anstatt diese wegzuwerfen und stattdessen Palmöl auf Borneo anzubauen?

Das sind alles echte, ethische Probleme, keine Frage, aber wenn man sich über all diese Dinge Gedanken macht, dann kann man überhaupt nichts mehr konsumieren und muss in den Wald ziehen – auf die Gefahr hin, dort einer Schnecke das Eigenheim zu zertrampeln. Wenn man seine Energie jeden Tag da hinein steckt, dann ist man verständlicherweise fassungslos über Menschen, die sich keine Gedanken machen – und natürlich auch über Leute wie mich, die das alles zwar abstrakt wissen, aber nicht erst nehmen können. Obwohl wir zu 80% übereinstimmen kommen wir nicht zueinander. Das ist sehr schade, denn wenn wir nur 10% gemeinsam gehen und andere Menschen anstecken, dann haben wir viel erreicht. Eben mehr.

Tag 33 – Reinheitsgebot 2.0

Gestern habe ich mit Freuden Bier getrunken – veganes Bier, versteht sich.

Das gehört zu den interessanten Fakten, die man lernt, wenn man sich mit dem Veganismus auseinandersetzt: im ominösen „Ausland“ wird manchmal Bier unter Zuhilfenahme tierischer Stoffe geklärt oder gefiltert. Dem Reinheitsgebot sei Dank, ist das in unserem Lande nicht drin.

Ähnliches gilt für Wein, wie der kundige Pflanzenfreund natürlich weiß – ich habe mich immer lustig gemacht über das Etikett „vegan“, das manchem Wein anhängt. Nun verstehe ich den Grund und gelobe Besserung. Warum Mineralwasser manchmal als vegan und glutenfrei gekennzeichnet ist, mag ähnliche Gründe haben, aber das ist ein anderes Thema.

Da ich diese vegane Challenge eher aus gesundheitlichen Gründen als aus Ethik mache, kann mir das eigentlich egal sein, denn es bleiben keinerlei Reste im Getränk erhalten.

Da ich das ganze natürlich möglichst Gewissenhaft betreibe, bliebe ich bewusst beim veganen Reissdorf Kölsch. Aber nur aus dem Fass! Denn beim Flaschenbier ist für den hundertprozentigen Veganer große Vorsicht geboten: der Etikettenkleber ist manchmal tierischen Ursprungs!

Und da wird es mir wirklich zu bunt.

Muss man da nicht auch danach fragen, ob der Bauer, der meinen Dinkel gesäht hat, Lederschuhe trägt?

Ob sein Traktor einen Ledersessel hat?
Ob er gar seiner Tätigkeit high auf Zwiebel-Mett nachgeht?

Ich finde das übertrieben und behalte im Auge, was in meinen Körper landet und ob etwas extra für mich getötet wird. In einer Welt, in der Menschen Tiere töten, mag es sogar sinnvoll sein, wenn übrig gebliebene Mambrane oder Enzyme genutzt weden, anstatt sie in den Müll zu kippen und unter Energieaufwand neu herzustellen. Oder sehe ich das falsch?

Ich bleibe einfach weiterhin den deutschen Biere treu und werde, so gelobe ich feierlich, das Etikett nicht abknibbeln.

Tag 32 – Was Spannendes, was zum Essen und vegan.

Was sich an meiner veganen Challengen wirklich gelohnt hat, ist das zwangsweise Ausweichen auf bis dato unbekannte Speisen.

Meine neuen Lieblinge.

  • Linsen. Linsencurry ist super, sei es mit roten Linsen oder mit Belugalinsen. Einfach Currypaste, Kokosmilch, Gemüse mit ein paar Gewürzen zusammenwerfen und fertig ist ein schnelles, leckeres Gericht – und hat gar nichts gemein mit der ekeligen Linsensuppe, mit der mich meine Großeltern gejagt haben.
  • Falafel. Sie haben jetzt einen noch prominenteren Platz in meinem Herzen gewonnen. Zu gesellschaftlichen Anlässen (wie Geburtstagen oder an Silvester) habe ich gerne welche gemacht – weil ich etwas Frikadelliges kochen wollte und Kichererbsen deutlich günstiger sind als jedes auch nur halbwegs vernünftige Hackfleisch. Jetzt aber gelten sie für mich als vollwertiget Ersatz für Burger, Buletten und Co.
  • Sojaschnetzel. Eine tolle Alternative zu Hackfleich, wenn es um Zubereitungen mit viel Gewürzen, so wie Spaghetti Bolognese, geht. Auch hier ist der Preis ein zusätzliches Argument, genau wie ewige Lagerbarkeit.
  • Hummus. Im Nu selbst gemacht und dann ungefähr hundert Mal leckerer als aus dem Supermarkt. Mit Koreander satt.
  • Gegrillte Aubergine. In einer Riffelpfanne, mit etwas Olivenöl und Pfeffer gegrillte Auberginenscheiben sind ein köstlicher Belag für Sandwiches, inklusive Röstaroma.
  • Selbst gemachtes Nutella. Mit Zimt oder Vanille oder doch lieber Rumaroma? Alles im Mixerumdrehen gemacht.

Diese Gerichte stehen jetzt auf meinem Speiseplan und werden auch nach der Challenge nicht-vegane Speisen verdrängen – und da ich noch gute zwei Wochen weitermache, kommt bestimmt noch was dazu. 😉