Tag 48 – Fazit

Ostern ist da, meine vegane Fastenzeit ist vorbei – Zeit, ein Fazit zu ziehen.

Ursprünglich war mein Plan, Pro und Conta zu beschreiben. Aber so viel Contra ist da nicht.

1. Ich habe wenig vermisst. Gegenüber meiner Befürchtung, dass ich Fleisch und Milch nachgiere, bin ich sehr gelassen durch diese Zeit gekommen. Pizza habe ich den Leuten geneidet, zugegeben, und der Mangel an Mainstreamsüßigkeiten, die vegan sind, hat mich ein paar Mal genervt. Dennoch bin ich überascht, wie schnell man selbst die Begierde neu lernen kann. Dann hatte ich eben Heißhunger auf Studentenfutter. Passt.

2. Neue Möglichkeiten sprießen. Man kann aus der Not eine Tugend machen – dann ist es vielleicht gar keine Not mehr. Statt Salami grille ich Auberginen, statt Hähnchen schmeiße ich Linsen in mein Curry, statt Hackfreisch tuen es auch Sojaschnetzel. Ich habe viele neue Gerichte kennengelernt, die jetzt prominente Plätze in meinem imaginären Kochbuch einnehen und dadurch nicht-vegane Gerichte verdrängen.

3. Ich bin bereit, etwas zu ändern. Nicht zu 100%, aber deutlich mehr, als ich je für möglich gehalten habe. Ab heute bin ich an 6/7 der Woche Vegetarier und bemühe mich, den Anteil tierischer Produkte im Vegetarieranteil in Richtung vegan zu drücken.

4. Ich bin fit. Der eigentliche Grund für diese Challenge war für mich der Gesundheitsaspekt – und ich bin gesund. Sport, Stress, Krankheitserreger, nichts könnte mit etwas anhaben. Das spricht für mich ganz klar für eine deutlich pflanzlichere Ernährung.

5. Man isst bewusster. Nicht, dass ich vorher caligulaartig alles Mögliche in mich reingestopft habe, aber trotzdem ist meine Aufmerksamkeit, die ich dem Essen an sich widme, jetzt gestiegen. Es ist schwer, sich vegan zu ernähren, wenn Imbissbude nach Imbissbude nicht eine vegane Sauce im Petto hat. Diese Erfahrung nehme ich mit.

Danke allen, die mitgelesen haben, ich werde mich in Zukunft hier deutlich philosophischer äußern – aber auch deutlich seltener.

Denn dann habe ich auch gelernt: Jeden Tag neben dem ganzen beruflichen Texten plus Texterschule und Nebenjob einen Blogpost zu schreiben, ist ganz schön anstrengend.

Tag 45 – Trauertag

Karfreitag in Köln ist ein trauriger, unwürdiger Tag – der Tag legt sich wie Mehltau auf Nordrhein Westfalen, wie eine bleierne Decke.

Ich hab frei und das Wetter ist freundlich, es lädt ein zum Feiern, zum Tanzen, schlicht dazu, das Leben zu genießen… Nicht aber mit den Gesetzen, die hier gelten – Spaß ist heute verboten.

Komisch, dass in einer so ungläubigen Gesellschaft wie der aktuellen ein Tag, der dem Tode gewidmet ist, so ernst genommen wird, werden muss, und jeder, der das Pech hat, hier zu wohnen, gezwungen ist, mitzumachen.

Das freiwillige Fasten, das Verzichten, der Akt der Selbstbeschränkung – das wird immer weniger zelebriert und wenn, dann nicht aus religiösen Gründen.

Menschen fasten zunehmend für sich selbst, statt nach deren Gebot und sie müssen anscheinend gezwungen werden, zu trauern.

Mir tut die katholische Kirche Leid tut. Trotz all dem Glanz, dem Gold und der Geschichte, trotz all ihres Potentials, fehlt ihr hier und heute jede Strahlkraft.

Ich faste einfach bis Ostern weiter, nicht wegen, sondern trotz der Kirche.

Tag 44 – Versuchungen am laufenden Bande

Jetzt bin ich auf dem Endspurt angelangt; bis Ostersonntag geht meine Challenge noch und ich bin das letzte Mal davor in meinem Hauptjob arbeiten, wo es alle Nase lang Geburtstage und sonstigeFeiern gibt. Es ist fast schon alles in trockenen Tüchern, doch die Versuchungen nehmen zu und wollen mich zu Fall bringen.

  1. Es gab Pizza für alle. Riesengroße, fettige, geile Pizza. Duftend wurde eine ganze Wagenladung davon von einem freundlichen Lieferanten per Rollwagen in die Küche gefahren, damit sich gut 150 Menschen daran ergötzen konnten… Und es gab sie tatsächlich, die vegane Alternative.
    Mit geschmacklosen Oliven, labbrigen Artischocken und etwas, das entfernt wie Paprika aussah. Natürlich war die Pizza ohne Käse. Offenbar müssen Oregano, Basilikum und alle anderen denkbaren Gewürze auch tierischen Ursprungs sein – Geschmack fehlte nämlich ebenfalls vollkommen.
    Dennoch habe ich mich begnügt und habe die vor Käse und vor Wohlgeruch nur so strotzende „echte“ Pizza verschmäht.
  2. Der Osterhase war auch da und hatte Schokoladeneier, unter Anderem neben Druckern, Designmaterialien und Kaffeemaschinen, versteckt. Da ich zufällig im Moment des Anpfiffs der offiziellen Ostereisuche meiner Kaffeesucht gefrönt habe, konnte ich eines der köstlichen Eier ergattern – und habe seine in Vollmilch gewandte, nussnougatartige Köstlichkeit weiterverschenkt an jemand Bedürftiges. Zumindest machte die Kollegin einen Gesichtsausdruck, als wäre sie das.
  3. Es gibt zum Abschied einer Kollegin gemischte Tüte – wie das, was man früher für ’ne Mark beim Büdchen bekommen hat, von einer dicken, teigigen, unglaublich freundlichen Frau, die sich einfach immer hinter ihrer Ladentheke befunden hatte, um jedermann tausend und eine nützliche Sache zu verkaufen und ein Schwätzchen in breitem Akzent zu halten.
    Die Tüte war allerdings derart überzeugend, dass ich sie zumindest eingesteckt habe – für Sonntag.

Ich bin clean geblieben. Ostern kann kommen. 😉

Tag 43 – auswärts essen

Eine Sache, die diese Vegansein-Geschichte echt schwer macht, ist das Essengehen. Ich liebe es, essen zu gehen – das ist so ein Ding, das ich von meinen Eltern gelernt habe, dass man sich so etwas gönnen kann und eine gemeinsame Zeit in Genuss und eintrachtlichem Kauen verbringt.

Als Veganer funktioniert das deutlich schlechter.

Die wenigsten Restaurants sind auf solch erlauchtes Publikum eingestellt, denn die Zielgruppe ist immer noch überschaubar. Und wenn man dann doch ein verganes Restaurant findet, dann schmecken die Speisen oft so, dass man sie noch nicht einmal aus religiösen Gründen hinunterwürgen würde.

Heute wurde ich jedenfalls angenehm überrascht; die mediterrane Küche mit veganen Alternativen, aber auch mit Fleisch oder Käse auf der Karte hat das auf den Teller gebracht, was ich mich nicht gewagt habe zu erhoffen – ein Burger aus Dinkel, der einfach nur lecker war.

Ich glaube, besonders solche Läden mit echtem Mehrfachangebot tun viel für die Verständigung der Veganer, Vegetarier und Carnivoren, man kann wirklich zusammensitzen und jeder ist mit dem glücklich, was er auf dem Teller hat. Obendrein kommt an einem solchen Platz der Fleischfreund vielleicht auf die Idee, dem veganen Flammkuchen eine Chance zu geben und wird zumindest teilweise bekehrt.

Als Bonus verstehen die Köche in gemischter Küche eher etwas von ihrem Handwerk und sind nicht vom Eifer geleitet.

In diesem Sinne: Ich empfehle einen Besuch beim Ecco in der Kölner Südstadt. Alaaf.

Tag 42 – Freiheit zum Veganismus

Wie man bei der ein oder anderen Gelegenheit zwischen den Zeilen gelesen haben mag; ich bin freiheitlich gesinnt. Man kann dazu liberal oder libertär sagen, je nachdem. Die Definition ist mir nicht wichtig.

Es geht mir darum, dass man freie Entscheidungen trifft – frei im Rahmen der Möglichkeiten, versteht sich. Wenn ich freiwillig jetzt und hier zum Mond fliegen will, dann hapert es leider an der verdammten Schwerkraft und dem Unwillen der NASA, mich dorthin zu befördern. Wenn ich mir jemandes Eigentum stibitzen möchte, dann hapert es an dessen Freiheit und Recht, Eigentum zu besitzen und es gegebenenfalls zu verteidigen.

Das sind die Grundzüge, nach denen eigentlich 99% der zwischenmenschlichen Handlungen ablaufen, man handelt im Einverständnig miteinander, tauscht Worte, Gefühke, Geld, Diestleisungen oder Waren ausund geht dann wieder auseinander. So weit, so einfach.

Was passiert aber jetzt, wenn man mir unter Androhung von Knast Steuern abnimmt?
Man könnte argumentieren, dass man ja uch etwas dafür bekommt – Straßen, ein Rechtssystem und Maybrit Illner im Fernsehen.
Wenn es so toll ist, was ich für meine Steuergelder und Abgaben und Beiträge erhalte, dann verstehe ich nicht, warum man mich zwingen muss, aber das ist icht der Punkt, den ich an dieser Stelle machen möchte.

Denn der Staat macht auch eine Menge Dinge, die ich gänzlich beschissen finde.
Was mache ich zum Beispiel, wenn im meinem Namen und mit meinem Geld in aller Herrenländer Krieg ferührt wird?
Wenn meine Steuern dazu benutzt werden, Milchbauern zu fördern?
Wenn Sie dazu benutzt werden, die tiefgefrohrenen Hähnchenflügel nach Afrika zu verschachern, damit man hier den Chickenburger billiger mampfen kann?
Wenn die Pharma- und Agrarindustrie sich ihre Gesetze mitschreiben darf?

Das muss jedem Vollblutveganer die Haare zu Berge stehen lassen und das tut es bei mir auch. Also was tun?

Man kann dafür arbeiten, dass eines Tages 50,1% der Wähler dafür stimmen, die obengenannten Dinge abzuschaffen; man kann dafür schreiben, reden, demonstrieren, Parteien, Zeitungen oder Stiftungen gründen – und nach all der Mühe ist man am Ende trotzdem darauf angewiesen, dass ein gehöriger Teil der 80 Millionen Deutschen die selbe Meinung vertreten.
Wenn sich die Stimmung bezüglich der Auslandseinsätze der Bundeswehr durchgesetzt hat, dann kann man weitermachen mit der Kuhmilch, dann mit dem nächsten Punkt – offensichtlich hat man so eine Menge zu tun, aber wie heißt es so schön: „Sysiphus ist ein glücklicher Mann.“

Weil ich nicht Sysiphus sein möchte, bin ich lieber liberal.
Auch für diese Einstellung brauche ich die 50,1%, aber der liberale Gedanke, die liberale Politik ist nicht sachgebunden, sie ist ein Prozess. Mit jedem Steuercent weniger, der gegen meinen Willen ausgegeben wird, steigt meine Möglichkeit direkt und für mich zu entscheiden, so ethisch zu leben, wie ich es für richtig halte und nur das zu kaufen und zu unterstützen, was ich wirklich haben möchte.

Veganismus ist nicht politisch, nicht links oder rechts. Natürlich kann er zu einem Zwang gemacht werden, aber dann verliert dann allen Reiz – Veganismus ist für mich die Freiheit, eine Entscheidung zu treffen und nach ihr zu leben.

Ist Freiheit nicht das schönste Gefühl der Welt?
Ist es nicht toll, selber zu entscheiden, vegan zu sein, vegetarisch, pazifistisch?

Wenn die Mehrheit Dir vorschreibt, wie Du zu leben hast, was ist es dann noch wert?

Tag 41 – Prioritäten

Heute hatte ich jede Menge auf der Arbeit zu tun – doch ein Müsli mit Hafermilch, eine Birne und eine Banane sowie Gemüsereis mit paniertem Blumemkohl haben mir reichlich Kraft gegeben. Natütlich war der Kaffee auch nicht verkehrt.

Auch heute hatte wieder jemand auf der Arbeit Geburtstag, auch heute standen wieder verführerische Haribonaschreien mit Gelantine satt in der Küche, auch heute habe ich entsagt.

Danach hatte ich sogar noch genügend Zeit, um ein Stündchen zu laufen und mir nachher noch panierte Auberginen zu machen, damit die nächsten zwei Tage ähnlich locker vonstatten gehen werden…

Das ist der Grund, dass ich heute wieder nur einen so kurzen Post ablasse, denn noch wichtiger, als über Veganismus zu schreiben ist es, zumindest sehe ich das so, es zu leben, zu kochen, zu genießen. Und damit der Genuss nicht zu kurz kommt, empfehle ich Euch hier allerwärmstens dieses Video – es gibt im Grunde nichts, was man auf die Art nicht vegan panieren kann und bestimmt auch nichts, was danach nicht himmlisch schmeckt. Lang lebe General Tso!!!!

Tag 40 – Dies und jenes

Ein paar schöne Kleinigkeiten an diesem Sonntag: das vegane Eis bei der Eisdealerin in Ehrenfeld lässt gar keine Wünsche übrig – Himbeer-Rose und Birne-Estragon treffen genau meinen Geschmack.

Auch mein erster Versuch einer Rotwein-Sahnesauce ist mit Hafersahne ein voller Erfolg und kaum vom Kuherzeugnis zu unterscheiden.

Und seit gestern bin ich stolzer Besitzer eines 1000 Watt Mixers… Da wird die Haselnusscreme besser als vom Nutella – um Klassen.

Tag 39 – Extrem

Die Sache mit dem Extremismus lässt mich nicht los – es gibt natürlich überall Extremisten, doch dass es hierzulande so viele davon gibt, (nicht nur in Ernährungsfragen) sehe ich als eine allgemein protestantische und insbesonders deutsche Sache an.

Der Protestantismus zeichnet sich dadurch aus, dass man dem geschriebenen Wort folgt, mehr oder weniger alleine ist mit dem mehr oder weniger gütigen Herrgott im Himmelreich. Dabei ist das eigene Gewissen die oberste Instanz und ständiger Plagegeist. Die Katholiken können im Zweifelsfall immer noch Beichten oder Spenden – nicht umsonst war der Ablasshandel ein besonderes Erlebnis Business. Auch die protestantische Weltsicht ist eher sachlich und jenseitsbezogen, wohingegen die Katholiken schon in den Kirchen einen Vorgeschmack des Himmels (wie sie ihn sich vorstellen) erfahren wollen.

Das Deutsche an sich bläst ins selbe Horn; es gab eine gemeinsame Sprache (für die der Urprotestant Luther auch einiges getan hat) und irgendwann kristallisierte sich eine gemeinsame Ideologie heraus, das Gefühl, dass man deutsch sei, obwohl der Landstich aus unzähligen Fürstentümern bestand. Auch hier ist das „echte und wahre“, die Idee, prägend und konstituiert dann irgendwann das Land, was wir so oder so ähnlich heute kennen. Eine Idee, ein Prinzip, als wichtiges Element bei der Betrachtung der Welt, wichtiger als die erlebte Realität.

Ich würde sagen, dass diese beiden Faktoren (neben dem oft unbehaglichen Wetter) größe Schuld an der deutschen Miesepertigkeit tragen, die auch, aber nicht nur, manche Veganer hierzulande reitet und der Sache keinen Gefallen tut.

Tag 38 – Zeit

Es ist Freitag und Freitag habe ich keine Zeit – nach einem Tag im Büro verbringe ich meinen Abend beim Kellnern.

Ich muss sagen, dass mir selbst das schonmal schwerer gefallen ist. Ob das an der veganen Ernährung liegt oder daran, dass das eine Routine ist, der ich seit nunmehr einem halben Jahr folge – who knows.

Man gewöhnt sich ja an einiges.

Was ich jedenfalls sehr genau weiß ist, dass ein Belugalinsencurry trotz seines düster-unappetitlichen Aussehens ein tolles Futter ist, das mich wachhält… Und mich meinem langersehnten Feierabendkölsch ein Stück näher bringt.

Alaaf!

Tag 36 – Einfach anders

Wie so oft im Leben gilt auch beim veganen Leben die Devise: der Weg entsteht, wenn man ihn geht. Und langsam ist der Weg recht gemütlich, liegt quasi in Trampelpfadmanier vor mir aus.

Als ich angefangen habe, musste ich auf jedes zweite Produkt draufschauen – und viele davon wieder an den Platz im Regal zurücklegen. Mittlerweile weiß ich schon vorher, worin sich eh Schweinegelantine oder Farbstoffe aus Läusen befinden. Sogar die Lust nach einigen dieser Dinge wird kleiner. Meine Lieblingsbrause, zum Beispiel, bleibt jetzt Standartmäßig im Supermarkt – was meinem Insulinspiegel und meinem Bauchumfanf auch nicht schaden sollte.

Dazu kommt, dass ich, wenn ich meinen Kühlschrank aufmache, nun wirklich nichts mehr ergreifen könnte, was nicht vegan wäre – auch der Freestyle Kochabend geht also problemlos über die Bühne, seit ich die Rinderbrühe und die Gewürzmischung mit verstecktem Milchzucker zu der echten Gelantine in meinen Giftschrank gepackt habe. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – was es so schwer macht etwas zu ändern, ist gleichzeitig ein großer Trumpf: Wenn man erst mal etwas geändert hat, dann fällt es irgendwann auch leicht, ja man vergisst beinahe, dass es einmal anders war. Zumindest, wenn man die Änderung annimmt, sie wirklich will.

Ich habe meine Lungen beispielsweise ab dem fünfzehnten Lebensjahr aktiv mit Zigarettenrauch verpestet, bis ich anfang Dreißig war. Nach diversen halbherzigen Versuchen, mal mehr, mal weniger freiwillig, bin ich immer wieder dem teerigen Trott der alltäglichen Versuchung erlegen.

Heute könnte ich mir gar nicht vorstellen, mir wieder solch ein stinkendes Ding in den Hals zu ziehen und viel Geld für einen langsamen, qualvollen Tod in die Staatskassen zu spülen. Ähnlich empfinde ich langsam das Motto meiner Jugend: „Zu jedem Hauptgericht gehört Fleisch.“

Anders werden ist schwer, aber anders sein wird irgendwann normal.